Überführung Nordsee – Ostsee

Vom Ijsselmeer nach Lauterbach

Vom Schreibtisch aus lausche ich dem pfeifenden Wind draussen und erinnere mich gleich wieder an diesen Überführungstörn. Von hier aus betrachtet hatten wir sogar noch Glück mit dem Wetter, obwohl es teilweise erbärmlich kalt war da draussen. Also, erstmal die Fakten:

SchiffDehler 36 cws „Seaside“ Bj. 1991
Zeitraum:19. bis 29. März 2021
Crew:Lars, Jörg, Synke

Die Route: Lemmer – Leeuwarden – Lauwersoog – Norderney – Brunsbüttel – Laboe – Warnemünde – Barhöft – Lauterbach, insgesamt 409 sm

Lars hat sich eine Dehler 36 cws zugelegt. Die sollte vom Ijsselmeer in die Ostsee. Danach gefragt, haben wir ohne groß nachzudenken zugesagt, ihn zu begleiten. Schließlich ist das eine sehr spannende Strecke und erweitert unseren Ostseehorizont um ein paar Erfahrungen. Inklusive An- und Abfahrtstage hatten wir 11 Tage Zeit, reine Fahrzeit also 8 Tage + 1 Tag Reserve. Man kann sich leicht ausrechnen, dass die Tage lang waren. Vor dem Ablegen und nach dem Anlegen gab es außer kochen, essen und schlafen nicht allzuviel. Meist.

Metallschrott

Wir starteten also mit einer schönen Rundreise mit der Deutschen Bahn (danke, dass wir wieder Frühsport auf dem Bahnsteig am Hauptbahnhof machen durften! Wieso kriegen die das eigentlich mit der korrekten Wagenreihung nicht hin?), unser Gepäck war schon bei Lars, sodass wir nichts schleppen mussten. Wir erreichten F. am Nachmittag und hatten noch den Einkauf geplant. Das Auto war schon gepackt, nur der Einkauf wurde eben noch mit reingestopft. Samstag ganz früh quetschten wir uns dazu. Nach vier Stunden Fahrzeit erreichten wir die Marina in Lemmer und stellten zunächst fest, dass es kalt ist und der Wind stürmisch um die Ecken fegt. Nachdem alles im Schiff verstaut war, kam noch die Rettungsinsel an Bord und der erste Teil von unnützen Beschlägen vom Vorbesitzer wurde entfernt. Das ist in den folgenden Tagen fast täglich passiert, hier die Ausbeute:

Sonntag früh – müde, kalt, stürmisch. Auf die Nordsee raus können und wollen wir bei diesen Bedingungen nicht. Der Wind bläst mit 6 – 7 Bft aus NNO – da wollen wir hin. Die Welle ist auch ganz nett mit dabei. Wir hatten uns ja schon für die stehende Mastroute entschieden. Obwohl bis zum Schluss unklar war, ob die Brücken jetzt so sehr außerhalb der Saison überhaupt öffnen. Aber ja doch, es funktionierte super, entweder mit einem Signalknopf (ähnlich dem, an einer Fußgängerampel) oder telefonisch. Die Kanalfahrt selbst war sehr idyllisch, wenn auch saukalt.

Jäh gestoppt wurden wir vor Leeuwarden, hier werden Sonntags die Brücken nicht bedient und wir mussten die Nacht nun an Dalben vor der Brücke festgemacht verbringen. Eigentlich wollten wir noch 20 Meilen weiter kommen, aber schnell geht es hier eher nicht. Früh eher auch nicht. Gleich nachdem uns die erste Brücke um 07:00 Uhr geöffnet hatte, standen wir an der nächsten Brücke. Hier meldeten wir uns telefonisch an und wurden sozusagen durchgeroutet bis Lauwersoog. Gegen 08:30 Uhr ging es los, meistenteils erwarteten uns die Brückenwärter bereits. Kaum war die Brücke zu sehen, ging schon rot/grün an und die Öffnung wurde vorbereitet. Leeuwarden war ein hübscher Ort mit vielen Anlegemöglichkeiten an beiden Ufern. Schade, dass wir dort nicht zum Übernachten hingekommen sind. „Unser“ Brückenwärter begleitete uns für ein paar Brücken mit dem Rad, dann übernahm wieder ein anderer. Wir kamen in süße kleine Orte, wie von einer Postkarte, fuhren durch Felder an Bauernhöfen vorbei und durch jede Menge Landluft. Viele Leute winkten uns zu und freuten sich. Wir winkten zurück und freuten uns auch. Kalt war es immer noch mit Wind von vorne, aber wenigstens schob sich ab und an die Sonne schon mal durch die Wolken. Wir wärmten uns an dem Gedanken, wie schön diese Route wohl im Sommer wäre.

malerisches Leeuwarden

Abends machten wir in Lauwersoog im Nordergat unmittelbar an der Schleuse fest. Eine Tankstelle gabs und Wasser und Strom und Duschen. All das brauchten wir. Noch ein bißchen Ebbe und Flut nach dem Abendessen und wir waren bettreif. Hochwasser war um 05:00 Uhr und wir wollten mit dem ablaufenden Wasser rausfahren.

Das passte dann auch perfekt. Um 07:00 Uhr wurden wir auf die Nordsee geschleust. Riesige Tore, fast, als würde man eine Festung verlassen, öffneten sich. Wir frühstückten unterwegs. Je weiter wir zwischen den Inseln durchkamen, umso höher und steiler kam uns die Welle entgegen (Welle gegen Strom – feine Sache), aber im tiefen Wasser wurde es wieder sanfter. Schließlich gingen wir auf Kurs mit der alten Dünung von der Seite. Segeln wollten wir eigentlich. Nachdem wir die Segel gesetzt hatten, mussten wir aber feststellen, dass es nicht reicht. Zu wenig Wind für die Strecke und dazu schlugen die Segel noch hin und her. Wo war er, der vorhergesagte Wind? Woanders glauben wir, zusammen mit den vorhergesagten Wolken. Denn wir hatten SONNE. Ach wie schön. Zwischendurch konnten wir sogar die Mütze absetzen, weil es so schön „warm“ war. Der Autopilot und der Motor machten jedenfalls einen guten Job, den wir nur überwachten. Kurz vor Hochwasser mit auflaufendem Wasser fuhren wir um die Südspitze von Norderney herum und in den Hafen. Tja, aber wo nur waren die Stege? Nicht da, soviel ist sicher. Der freundliche Hafenmeister erzählte uns, dass „zu“ ist und wir nicht dableiben dürfen. Dann noch, dass er uns nicht gesehen hat und wir uns ja an dem einen Schwimmsteg festbinden können, der aber keine Verbindung zum Land hat. Und keinen Strom, selbstverständlich. Und kein Wasser. Dafür übersäht ist mit großen Haufen Möwenkacke (das hat er nicht gesagt). Wir haben ihn dann nur einmal kurz zum festmachen betreten und sind dabei mit größter Vorsicht um die Haufen herum gegangen. Soviel zu Norderney.

Am Mittwoch lösten wir um 06:57 Uhr die Leinen und verließen die Insel mit ablaufendem Wasser (wer hat das eigentlich so toll geplant mit den Tiden). Eine lange Strecke bis nach Brunsbüttel lag vor uns, spürbarer Wind nicht vorhanden, dafür Sonne satt, spiegelndes Wasser, Robbenköpfe, die ab und zu nach uns Ausschau hielten, ein Schweinswal, der uns kurz seine Finne zeigte, Sonnenbrillen. Ein Fischkutter bewies, dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass alle die KVR einhalten. Allein gelassen – der Fischer selbst war an Deck beschäftigt – steuerte dessen Autopilot zielsicher auf uns zu. Ab der Elbmündung wurde es zäh, der Strom stand gegenan, obwohl er schon hätte mitlaufen müssen und wir kamen mit nur noch 4 Knoten kaum voran. Zwei Stunden später rauschten wir bereits an Cuxhaven vorbei, nun mit 9 Knoten Fahrt über Grund. Pünktlich zur völligen Dunkelheit kamen wir an der Schleuse in Brunsbüttel an. Wir brauchten etwas, um unsere Signale zu finden in dem Lichtermeer an der Schleuse. Schließlich konnten wir einfahren und fanden uns kurz danach auf dem NOK wieder. Für die Nacht legten wir uns an den Steg direkt hinter die Schleuse, wieder ohne Strom, ohne Klo, ohne Wasser. Kannten wir ja schon. Aber einen Luxus gab es doch, den Bäcker am nächsten Morgen.

Die Kanalfahrt am Donnerstag war dann sehr entspannt. Das Wetter hatte beschlossen, dass nun Frühling ist und wir genossen, dass wir ohne die dicken Sachen immer noch schwitzten. Einige wenige große Schiffe kamen uns entgegen und wir hielten uns dann stets brav nah am rechten Ufer. Der NOK ist tatsächlich recht breit und das passte alles locker. Die Eisenbahnbrücke von Rendsburg sahen wir endlich einmal von unten, bisher kannten wir sie nur aus der Zugperspektive. Um 15:30 Uhr erreichten wir die Schleuse Kiel Holtenau, mußten dort noch etwa 20 Minuten warten und wurden dann durchgeschleust. Ganze 20 Zentimeter höher fuhren wir wieder aus der Schleuse raus und nahmen Kurs auf die Marina Laboe. Hier warteten bereits die Eltern von Lars und Isabel zur Begrüßung. Ungewöhnlich früh, um 17:15 Uhr waren wir fest. Ohne Klo und Duschen, aber mit Strom und Tankstelle.

Für Freitag hatten wir entschieden, anstatt nur bis Fehmarn gleich bis nach Warnemünde durchzuziehen. So starteten wir wieder zeitig, die Sonne schob sich gerade über die Häuser von Laboe. Der Wind war endlich einmal da, wo er sein sollte, so dass wir Segel setzten. Selbstverständlich war das Schießgebiet Todendorf – Fachausdruck TrÜbPl Todendorf und Putlos – gesperrt, wie immer, wenn wir da lang segeln. Ebenso selbstverständlich wurde es just in dem Moment freigegeben, als wir drum herum waren. Das ist irgendwie schon Tradition. Es lief gut. Die Seaside zeigte uns, dass sie segeln kann und das nicht schlecht. Kurz hinter der Fehmarnbeltbrücke war es dann aber schon wieder vorbei mit dem Wind und Motor und Autopilot übernahmen. Immerhin hatten wir Sonnenschein und alles auf einmal geht eben nicht immer. Durch Lars Kontakte erhielten wir trotz geschlossener Marina Hohe Düne einen Duschschlüssel. Während am Samstag früh also die angekündigte Kaltfront durchjagte, genossen wir ein kleines Wellnessprogramm. Genau abgestimmt auf die letzte durchgezogene Regenwolke brachen wir Richtung Barhöft auf. Es war kalt. Schon wieder mal. Aber ein schneller Raumschotkurs brachte uns zügig voran. Kurz vor Darsser Ort tauchten 2 Schweinswale auf und begleiteten uns 45 Minuten bis vor die Tonne Darsser Ort West – Bahnmarke unzähliger mitgesegelter Überführungsregatten mit Iventsailing. Wir begegneten einigen Segelschiffen, die unter Motor und direkt gegenan durch die Wellen fuhren und wussten plötzlich, wie gut wir es hatten. Nach Darsser Ort ging es ähnlich schnell weiter, nun aber mit der Welle direkt von hinten, was natürlich wesentlich ruhiger ist. Je später der Nachmittag wurde, umso mehr trat die Kälte wieder in den Vordergrund. Nach einem schönen Sonnenuntergang biss sich der eiskalte Wind auf den letzten Meilen nach Barhöft mit AmWindKurs durch alle Kleidungsschichten durch. Schön, dass man Dank Heizlüfter, erstmal am Steg festgemacht, schon innerhalb weniger Minuten wieder warm wird.

Sonntag, letzter Tag für die restliche Strecke nach Lauterbach. Wir wollten die Mittagsbrücke in Stralsund kriegen, konnten also den Tag entspannt beginnen. Es war leichtes Niedrigwasser und auf den Sandbänken saßen neben Möwen auch einige riesengroße Vögel. Durchs Fernglas erkannten wir beeindruckt vier Seeadler. Der angesagte SW-Wind kam nun südlicher, als uns lieb war und so lief bis Stralsund der Motor. Für eine kleine Hafenrunde in Stralsund war noch Zeit und mit etwas Sehnsucht schauten wir auf die Stadt. Vielleicht wird`s ja im Sommer mal wieder.

Nur für uns öffnete die Ziegelgrabenbrücke, die letzte Brücke unserer Überführung. Nun aber setzten wir Segel und folgten dem Fahrwasser. Unterwegs raste ein Polizeischlauchboot an uns vorbei. Wir hörten über Funk von einem Unfall und lasen später von den zwei Anglern. Wahnsinn, bei diesem Wind mit einem kleinen Angelboot rauszufahren. Wir waren im zweiten Reff mit bis zu 8 Knoten unterwegs. Eisig kalt war es auch immer noch – da kommt schon die Frage auf, ob wir wohl langsam Weicheier werden?

Um 16:32 Uhr waren wir am Steg in Lauterbach fest. Um 16:35 Uhr fing der angekündigte Regen an. Sowas von cool unser Timing.

Seaside ist nun zu Hause. Wir freuen uns darauf, uns im Sommer mit unseren Schiffen auf dem Wasser zu treffen oder in Ankerbuchten zu verabreden. Danke, Lars, für diese schöne Gelegenheit, neue Erfahrungen zu machen. Das war trotz all der Kälte ein sehr spannender und schöner Törn mit wenig Schlaf, viel Schokolade und Rum. Bis bald auf dem Wasser!

Seaside in Lauterbach