Midsummersail 2023

Unser seglerisches Highlight dieser Saison schlechthin.

Ein Jahr lang haben wir uns vorbereitet und darauf hingefiebert. Schon ist es wieder vorbei. Wir haben wirklich viel gelernt, Geduld beispielsweise, auch über uns selbst, das Segeln längerer Strecken ohne Motor; wissen, was beim nächsten Mal mit muss, was überflüssig ist und zu Hause bleiben kann. Haben Ideen für ein funktionierendes Energiemanagement. Nächstes Mal? Aber ja doch, nach der Midsummersail ist vor der Midsummersail! Das war doch klar, oder?

Unsere Crew bestand aus 4 Seglern, Bootseigner und Skipper Lars und neben uns noch Thomas – perfekt für eine 4-Stunden-Wacheinteilung. Das Schiff ist eine Dehler 36 cws, Baujahr 1992 ausgestattet mit niegelnagelneuen XDrive-Segeln (Groß und Genua) von UK Sailmakers, einer Topgenua (ähnlich Code 0), einem Gennaker und unserem Spinnaker, den wir mitgebracht hatten.

Und los geht’s:

Tag 1 – Wismar bis an die schwedische Südküste

Am Start kamen wir eher im hinteren Feld weg, aber hey, was macht das schon bei über 900 Meilen Strecke aus. Bis wir endlich abfallen konnten, wurden wir hoch am Wind auch leider weiter nach hinten durchgereicht. Aber dann oberhalb von Timmendorf ging’s los. Wir setzten den Gennaker und zum Überholen an. Das klappte gut, denn unter Land, wo wir segelten, war auch mehr Wind. Bis zur ersten von vielen Flauten, wenigstens war diese noch kurz. Der neue Wind kam aus Nord und unser Sprint ins vordere Feld ging mit Code 0 weiter. Wir gingen schlafen und die erste Wache segelte derweil schnell. Nachts wurde wieder der Gennaker gesetzt, während auf vielen Booten das Vorsegel genutzt wurde. Warum ist unklar, wir jedoch fuhren weiter nach vorne durch. Die VTG’s waren sehr easy, kein zeitaufwendiges Ausweichmanöver. An der schwedischen Südküste bauten wir aufwendig den Spi an, der Wind kam nun von hinten. Platz 11 war unser an dieser Stelle.

Tag 2 – Hanöbucht bis Öland

Das lief und lief, das Schiff war schnell unterwegs, mit Gennaker oder Spi und unsere Laune dementsprechend gut. Wir kochten 1x am Tag, also gossen heißes Wasser in eine Tüte mit gefriergetrockneten Zutaten. Das schmeckte wesentlich besser, als es sich anhört, wirklich. Vorteil ist, es geht schnell, man muss bei Kränkung nicht umständlich kochen und der Abwasch besteht aus einem Eßlöffel. Nachts erreichten wir die Südspitze von Öland, vor uns der Nachthimmel blieb rötlich und hell, hinter uns zog einmal quer über den südlichen Himmel ein Feuerwerk. Zumindest sah es so aus. Tatsächlich war es wohl Weltraumschrott, der in der Erdatmosphäre verglüht ist. Allenfalls ein spektakulärer Anblick.

Tag 3 – zwischen Ö – und Gotland

Das ist schon eine ordentliche Strecke, zieht sich. Tag 3 war Spi – Tag. Dabei ging es mit Welle und Wind schon Mal ordentlich zur Sache. Unser Topspeed lag dann auch jenseits der 10. Wir rückten vor auf Platz 10. Wow, das lief. Schade, dass es dann vorbei war mit Surfen auf der Welle.

Einen Winddreher, eine Flaute und eine kleine Fehlentscheidung weiter ging es bereits abwärts mit unserer Platzierung. Und da wären wir auch schon bei

Midsummersail mit Spi unterwegs

Tag 4 – Gotland bis Stockholmschären

Hoch am Wind ist nicht die Spezialität der Dehler 36 cws, auch wenn sie Bavaria und Co. locker abhängt. Das Ganze bei wenig Wind verdarb nicht nur ein klitzekleines bißchen unsere Laune, sondern auch die vordere Platzierung. Da halfen auch die neuen Segel nicht so viel. Nach der Flaute kam noch mal Vorwind mit Wellensurf, bis abends, in den äußeren Stockholmschären, der Wind aufhörte und direkt in die 3. Flaute überging.

Tag 5 – vorbei an den Ålands

Nach der Flaute kam der Lieblingskurs, Wind von vorne. Anfangs machte das noch ohne Welle richtig Spaß, später, bei mehr Wind von vorne, bremste uns die Welle aus. Noch später bei noch mehr Welle aber weniger Wind kamen wir kaum noch voran. Die Idee, durch die Inseln zu fahren, kam vom Skipper und war super. Leider war es streckenbedingt nur ein kurzes Stück, dann begann der südliche Bottnische Meerbusen. Strategien waren aufgrund unzuverlässiger Vorhersagen und teilweise schlicht fehlender Verbindung schwierig. Und so kam, was kommen mußte.

Tag 6 – südl. Bottnischer Meerbusen

Der begann mit Nebel und Flaute, Flautennebel also.

Wir waren entzückt. Endlich Zeit für ein richtiges Frühstück, alle zusammen, mit Brötchen, Kocheiern, Schinken, Wurst, Käse, Kaffee, Tee, Marmelade, Honig. Danach fühlten wir uns gewappnet für rasante Fahrt, bloß – sie kam nicht. Stattdessen versetzte uns die vorhandene Strömung erst südlich, dann westlich und malte schöne Krickelkrakel in unseren Track. Nochmal kurz zur Erinnerung, wir wollten nach Norden!

Später kam ein leiser Hauch und der Code 0 zog uns aus der Flaute raus. Der ganze Tag blieb ein Schwachwindtag. Wer wo wann in eine Flaute kam, war mittlerweile Glückssache, der Wettervorhersage trauten wir keinen Wahrheitsgehalt mehr zu. Vielmehr steuerten wir nur dahin, wo der Wind das Wasser kräuselte. Nachts glitten wir weiter mit Code 0 und Murmelgeräuschen am Heck direkt in

Rusalka

Tag 7 – immer noch südl. Bottnischer Meerbusen

Für uns begann der Tag, wie immer, mit der Wache um 05 Uhr. Ein atemberaubend schöner Anblick erwartete uns da draußen. Das Meer spiegelglatt, ein paar Wolken, zwischen denen die Sonne durchlugte. Mit 4 Knoten pustete der Wind uns sanft auf 3 Knoten Fahrt. Das ist wie ganz langsam fliegen, nur schöner. In Sichtweite ein Konkurrent, die Rusalka. Später nahm der Wind zu, kam aber immer noch von vorne. Wir testeten uns den besseren Bug aus, auf Steuerbordbug ging es wesentlich schneller voran. Leider konnten wir nicht herausfinden, woran es lag. Mittlerweile waren wir übrigens schon tief in den Zwanzigern, so rein platztechnisch.

Abends endlich drehte der Wind und wir erreichten die finnischen Kvarken, eine kleine Inselgruppe weit im Norden. Nächte gibt es hier im Sommer nicht. Schlafen gehen oder doch lieber Sonnenuntergang gucken – eine schwierige Entscheidung dieser Tage. Ein paar Stunden lang hatten wir Glück bei unserer Routenwahl und machten Plätze gut, dann ereilte uns das gleiche Schicksal, wie alle anderen, die – äh warte mal, wievielte eigentlich – nächste Flaute.

Tag 8 – Kvarken bis Bjurön

Dies war nun ein Schwachwindtag, der schwächste Schwachwindtag, den man sich vorstellen kann. Mit ausgiebigem Frühstück, baden gehen, rumgammeln, Sonne, Sonne, Sonne, mal richtig kochen. Und wir haben leider unsere Pütz versenkt, sie ruht nun in Frieden auf Pos. 62°43,934’N 020°31,526’E. Fast hätten wir sie gerettet, das Pütz-über-Bord-Manöver war perfekt, jedoch traf der Bootshaken nicht die Leine. Damit war es nun etwas schwieriger geworden, Wasser aufzunehmen. Das überaus klare und saubere Ostseewasser nutzten wir für alles, außer Essen. Nachmittags kam ein laues Lüftchen von hinten und mit Spi lief das sogar. Ständig beobachteten wir, was die Konkurrenz um uns herum so machte, wie schnell und auf welchem Kurs sie segelten. Dank AIS geht das ja auch ohne Internet. Langsam wurden wir etwas hibbelig, denn es war reichlich Wind angesagt und den konnten wir kaum erwarten. Und vor allem lockte das greifbare Ziel.

Tag 9 – Hoch bis vor die Tore von Töre

Schönes Wortspiel, oder? Ein Action – und Powertag. Zunächst Aufkreuzen bei Leichtwind von Windfeld zu Windfeld, dabei schön die nahe Konkurrenz beobachten und bloß nicht im falschen Moment wenden, um plötzlich ohne Wind dazustehen. Später legte der Wind zu und drehte auf NO bis ONO und wurde damit ein AmwindKurs. Jetzt bloß keine dämlichen Fehler machen, um keine Plätze mehr zu verlieren. Mit 7 bis 8 Knoten Fahrt sprinteten wir durch den nördlichen Teil des nördl. Bottnischen Meerbusens. Zunächst noch weit weg am Horizont entdeckten wir eine fette dunkle Wolke, die zügig näher kam, Wellen wurden kurz, hoch und spitz, wie wir sie bis dahin noch nicht gesehen hatten auf der Ostsee, dann plötzlich ein Windloch und Minuten später ging die rasante Fahrt weiter. Hier kommt nun die fette dunkle Wolke ins Spiel. Gehofft hatten wir, dass wir noch dran vorbeikommen. Aber nee, sie war plötzlich ganz nah und eine schöne Böenwalze, ein Traumexemplar wie aus dem Lehrbuch, zog über uns hinweg. Mal eben schnell mußte das Vorsegel weg und das Groß gerefft werden, ein satter Regenschauer rundete das Ganze ab, Regenwalddusche sag ich bloß. Jörg, der Held, stand am Steuer. Gegen 0:30 erreichten wir die Schären vor Töre. Alle waren jetzt an Deck, keiner wollte sich die letzten Meilen entgehen lassen.

Tag 10 – auf zur gelben Tonne

Man denkt, dass man da ist, ist es aber nicht. Immer noch 22 Meilen sind es von hier aus zum Ziel. Der viele Wind ließ nach, der nächste Gegner, die Scylla 2.0 kam immer näher. Bei nächster Gelegenheit refften wir das Groß aus, setzten später noch den Code 0 dazu und verglichen immer wieder, ob der Abstand kürzer wird. Diese letzten Meilen waren noch einmal besonders schön. In dieser letzten Nacht mit Mitternachtssonne ging eben jene nicht unter. Irgendwann, gefühlte und tatsächliche Stunden später sahen wir die Tonne, DIE TONNE, unsere Tonne, die nördlichste Tonne der Ostsee auf Position 65°54,07′ N 022°39,00′ E. Dann waren wir da, rollten den Code 0 ein und glitten langsam über die Ziellinie. Scylla hatte uns nicht mehr gekriegt.

Es ist so schön anzukommen! Das Beste ist das Ankommen. Trotzdem – der Weg ist das Ziel, auch bei dieser Regatta, oder gerade bei dieser. Unser Platz war 26, nach 9 Tagen, 14 Stunden und 8 Minuten. Das fühlte so sich gut an. Insgesamt kamen von 67 gestarteten Booten 42 ins Ziel, 25 gaben auf. Wir sind stolz auf uns, das war nicht ohne! Um 03:23 MESZ angekommen standen wir noch viele Stunden schaukelnd auf der Pier, trafen die Segler zu den Schiffsnamen, die uns lange begleitet hatten, stießen an auf diese tolle Regatta, begrüßten die nach uns Ankommenden, erzählten, lachten. Schlafen gehen wird überbewertet!

Wir haben wunderschöne Bilder unserer Ostsee im Kopf, nicht annähernd kann ein Gerät (auch nicht die Alpha 7 lV – leider) die Stimmung einfangen, die – nicht vorhandenen – Geräusche, zusammen mit den Farben und dem unendlichen Himmel, der sich über ein – scheinbar – unendliches Meer spannt. Am liebsten wäre man gar nicht schlafen gegangen, um möglichst viel davon zu sehen und abzuspeichern. Baltic Sea at it’s best.

Danke an alle, die uns virtuell begleitet haben, danke Stefan für deinen Support, das Mitfiebern, die aufmunternden Worte und die schönen Segel natürlich.

Midsummersail 2025, Helene D wird dabei sein!

Da stehen wir – stolz und glücklich – und wie gemacht für eine Gill-Werbung, oder?